«In dieser Situation — ja», meinte Kurt. «,In Angriff nehmen‘ und ,in Fluß kommen‘ sind Ausdrücke der Zeitungssprache, geschriebenes Deutsch, nicht gesprochenes. Hier wirken diese Wendungen komisch. Ja, das ist das richtige Wort.»
«Komisch?»
«Sehen Sie», fuhr Kurt fort. «Mit Redewendungen muß man sehr vorsichtig sein. Man darf nie verschiedene Bilder vermengen, z. B. ,Butter‘ und ,Weizen‘, oder ,Angriff‘ und ,Fluß‘. Das paßt nicht zueinander, verstehen Sie?»
«Ich glaube — ja.»
«Und noch etwas: ,Alles ist in Butter‘ können sie zu ihren Kameraden und Geschwistern sagen, das ist ein Ausdruck der Umgangssprache. Aber ,Unser Weizen blüht‘ ist gehobener Stil; es klingt etwas pathetisch.»
«Noch eine Bemerkung, Nadja», sagte Herta freundlich. «Lieben Sie Suppe mit sehr, sehr viel Salz?»
«Ach so! Ich gebrauche Ihrer Ansicht nach zu viele Redewendungen?»
«Ja», meinte Kurt, «auch das. Kennen Sie nicht das alte Sprichwort: ,Allzu viel ist ungesund‘? Als wir Ihre vielen Redewendungen hörten, Nadja, da haben wir große Augen gemacht.»
Kaum hatte er dies gesagt, so rief Nadja: «Da hört aber die Gemütlichkeit auf! 5 Das schlägt dem Faß den Boden aus! 6 Sie kritisieren mich, dabei sprechen Sie ja selbst so! Schöne Sache!» Blitzschnell hatte sie ihr Notizbuch genommen und etwas aufgeschrieben. Und jetzt sagte sie stolz: « ,Große
1alles (ist) in Butter (разг.) — всё идёт как по маслу
2Unser Weizen wird blühen. — Всё будет в порядке.
3in Angriff nehmen — (энергично) приступить к чему-либо
4in Fluß kommen — налаживаться
5Da hört aber die Gemütlichkeit auf! — Это уж чересчур!
6Das schlägt dem Faß den Boden aus! — Это переходит все границы!
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Augen machen‘ — sich sehr wundern — das ist meine 502te deutsche Redewendung! Hurra!»
«Und wieviel Redewendungen wollen Sie sammeln?» fragte Herta.
«Tausend. Und wenn ich das erste Tausend gesammelt habe, dann beginne ich gleich das zweite Tausend. Und so weiter, bis ich alle deutschen Redewendungen kenne, ohne Ausnahme — alle durch die Bank 1.»
TAUSEND DEUTSCHE REDEWENDUNGEN
K u r t: Tausend!.. Oho, ich denke, das ist viel zu viel!
N a d j a (notiert schnell): «Viel zu viel» — Слишком много. 503! (Zu Kurt:) Sehen Sie, das ist heute schon Ihre zweite Redewendung. Sie sprechen also genau so, wie ich gern sprechen möchte.
K u r t: Fräulein Nadja, ich darf es, weil ich es kann. Es ist meine Muttersprache.
N a d j a: Und ich will sie erlernen. Verstehen Sie das? Ich will genau so deutsch sprechen lernen, wie ein Deutscher spricht, und alle Deutschen durch die Bank 1 gebrauchen Redewendungen.