Zerbrechliches Dresden (Чечитов) - страница 2

Die Lage an der Front änderte sich langsam, aber sicher. Die mächtige Armee Hitlers stolperte und verlor Tag für Tag die Oberhand. Im Februar 1944 wurde Bernhard in die Stabszentrale einberufen, dort wurde er über die bald bevorstehende Abfahrt gen Osten benachrichtigt.

Er hatte sich zwar bereits an den Gedanken gewöhnt, dass es irgendwann dazu kommen musste, dennoch lastete es schwer auf ihm. Seine kleine, zarte Selma bliebe ganz allein. Zwischen ihm und ihr würden Tausende Felder, Hunderte von Städten und Tausende von menschlichen Schicksalen liegen. Kaum jemand könnte kreativer und unglückseliger als das Leben selbst sein. Es schuf den Menschen, er wiederum war fähig, es zu zerstören. So sinnierte traurig Bernhard vor der Abfahrt an die Front. In der Nacht, bevor er abgeholt werden sollte, konnte Selma kaum schlafen. Sie weckte Bernhard um Mitternacht.

Unter den unbewegten, verschlafenen Gesichtern der Soldaten gab es ein zufriedenes. Es lächelte der fröhliche Bernhard. Nun schien sein Leben nicht mehr vergebens zu sein. Soll ihn doch eine feindliche Kugel niederstrecken, an seiner Stelle wird es neues Leben geben. Ein helles, heißes Zittern vibrierte in seiner Brust bei dem bloßen Gedanken an den Sohn. Ja. Als er von Selma die frohe Botschaft hörte, hatte er sich selbst überzeugt, dass sie einen Sohn haben werden. So trennten sie sich, mit einer Umarmung zum Abschied. Selma hatte sich gut im Griff, bis Bernhard weggefahren ist. Dann brachen die Tränen aus und spülten die Reste von Tapferkeit und Zuversicht weg.

Am zwölften Februar 1945 stieg Selma zusammen mit Azzo mit einer Gruppe von 30 Leuten in einen Luftschutzbunker. In der darauffolgenden Nacht wurde die Stadt Dresden, in der sie lebten, bombardiert. Schwärme von verzierten eisernen Vögeln warfen unzählige schwere Geschosse ab, welche alles herum in Schutt und Asche legten. Mächtige Explosionen verbrannten augenblicklich die Luft und erzeugten einen Feuersturm, vor dem kein Lebewesen standhalten konnte. Haufen von Steinen und Eisen stoben wie Holzspäne nach allen Seiten und zerschmetterten dabei sämtliche Hindernisse auf ihrem Weg. Der Eingang des Luftschutzkellers war verschüttet und der Sauerstoff fand nun keinen Weg hinein.

Heinrich Wolf, ein betagter Nachbar Selmas, hatte ihr mit den besten Absichten geholfen, hier Zuflucht zu finden. Jetzt schaute er hilflos auf die sterbenden Menschen, ohne zu wissen, wie er ihnen helfen konnte. Müde nahm eine Pistole heraus, die er stets für den Fall der Fälle bei sich trug. Nur zwei Patronen blieben in seiner Hand. Selma sah, wie sich seinen Lippen lautlos bewegten und nur ihm bekannte Worte flüsterten. Mit zugekniffenen Augen jagte der alte Heinrich seiner Frau eine Kugel in die Stirn und beförderte sich selbst ihr hinterher. Verschlafene, erschöpfte Menschen sahen einander zum letzten Mal an.